Mittwoch, 4. Oktober 2023

Wo ist die Erwachsene?

Ich habe wie wir alle eine innere Bühne. Hinter der Bühne stehen alle meine Anteile. Je nachdem wer gerade das Rampenlicht genießt, agiere und reagiere ich eben anders.

Manchmal aber kann ich nur reagieren, denn da ist die Bühne prall gefüllt mit Darstellern. Im Grunde genommen ist es nur ein Anteil, aber er hat so viele Facetten, dass er sehr viel Raum einnimmt.

Da steht das innere Kind, das sich verlassen fühlt. Verlassen von allen. Keiner ist da, keiner steht einem zur Seite, keiner unterstützt. Dieses Kind steht mit gesenktem Kopf da, seine Arme hängen wie Seile am Körper entlang, sein Blick ist leer. Es ist erschöpft, denn es hat so oft nach Hilfe gerufen und keine bekommen. Es würde gerne weinen, aber nicht mal dafür hat es Kraft. Allein, ganz allein in dieser großen Welt.

Und neben diesem inneren Kind steht ein Mädchen, das die Schultern hochgezogen hat, als ob es versucht den Kopf zu verstecken. Ihre Arme halten ihren Oberkörper ganz fest umschlungen, ihr Blick springt von einem Punkt zum Anderen. Das Kind fühlt sich in Gefahr, es hat Angst, alles ist bedrohlich und hinter jeder Ecke könnte ein Monster sein.

Dienstag, 3. Oktober 2023

Das Mädchen mit dem leeren Herz

Es war einmal ein Mädchen, das mit einem großen Herz zur Welt kam. Die Herzen der Kinder sind immer groß, da sie viel Liebe vom Umfeld erhalten sollen und es soll ja alles Platz und Raum haben. Das Mädchen hatte aber ein besonders großes Herz, denn es hatte noch das Herz ihres Zwillings aufgenommen, der als Engel wieder gegangen ist.

Das Herz von dem Mädchen sollte zuerst von der bedingungslosen Liebe ihres Umfelds gefüllt werden. Sie wollte spüren, dass man sie liebt, egal wie ist und egal was wie macht. Dass man sie eben frei von Bedingungen liebt. Stattdessen hörte das Mädchen, wie die Eltern sich stritten, wie die Großeltern Druck auf die Eltern ausübten und wie die Geschwister vom Umfeld angeschnauzt wurden.

Das Herz von dem Mädchen wollte mit riesiger Freude gefüllt werden. Freude darüber, dass das Mädchen in dieser Welt angekommen ist. Willkommensgrüße wollte es hören. Stattdessen bekam es Sorgen und düstere Gedanken. Ob es gerade passend ist, dass es zur Welt kam? Ob es okay ist, dass es ein Mädchen war und kein Junge? Warum der Zwilling sich so schnell verabschiedet hatte?

Das Herz von dem Mädchen sehnte sich nach Wärme und Geborgenheit. Nach dem Gefühl der absoluten Sicherheit. „Ich halte dich, ich bin für dich da, ich wünsche dir Gutes.“ Solche Worte hätten dem Herz so gut getan. Stattdessen spürte es die Erschöpfung der Mutter und ihre Überforderung. Der Vater war nicht da, weder für das Mädchen als liebevoller Papa noch als verständnisvoller Ehemann für die Mutter. Vernachlässigung war für das kleine Mädchen alltäglich. Es schrie sich die Seele aus dem Leib und gefühlt eine Ewigkeit kam keiner, um zu schauen, was los war. Kinder haben ja kein Zeitgefühl.

Mittwoch, 19. Juli 2023

Kopf, Herz, Yoni

- Komm näher, komm an mein Feuer. Du bist doch hier, weil du Antworten suchst, - sprach die alte Hexe und die Frau näherte sich etwas unsicher dem hell brennenden Feuer.

- Setz dich und trink erst einmal einen Tee, - fuhr die Hexe fort. - Und während du deinen Tee trinkst, kannst du hier ankommen und dich umsehen. Man fühlt sich sich hier sicher und geborgen, nicht wahr?

Das alte Häuschen war sehr gepflegt und hatte seinen eigenen Charme. Kräuterbündel hingen in der Ecke und verbreiteten einen angenehmen Duft.

- Und nun fühle mal in deinen Körper hinein. Wir werden heute jemandem ganz viel Gehör schenken, nämlich deinem Kopf, deinem Herz und deiner Yoni. Du siehst verwirrt aus? Weißt du nicht, was eine Yoni ist? Das ist ein anderer Begriff für deine Vagina und Vulva. Ach, das wusstest du schon? Warum warst du dann verwundert?

- Wie soll ich mit meinem Kopf reden? Und mit meinem Herz? Und dann noch mit meinen Geschlechtsorganen?

- Ganz einfach. Wir werden ihnen fragen stellen und du wirst mir sagen, was sie antworten. Lass es uns einfach mal versuchen, ja?

Mittwoch, 17. März 2021

Wie kann man schmerzende Vergangenheit loslassen?

Im tiefen Wald, da wo das Licht spärlich durch die dichten Zweige auf den mit Moos bedeckten Boden fällt, fand ein seltsamer Kampf statt. Eine Frau stand mit dem Rücken zu einem alten Baum und versuchte sich von ihm loszureißen. Mal gelang es ihr besser, mal wieder schlechter. Eine nach Teer aussehende Masse ging vom Baumstamm zur Hinterseite der Frau und jedes Mal, wenn sie sich nach vorne bewegte, so dehnte sich die Masse und es gab Hoffnung zu entrinnen. Schweißtropfen liefen der Frau von der Stirn, doch sie kämpfte unermüdlich weiter. Ein Schritt nach vorne, dann noch einer, die Beine waren nun fast frei, es zogen sich nur noch ein paar dünne Fäden zu ihren Oberschenkeln.

Ein lauter Schrei durchzog das Dickicht des Waldes, als die Frau sich ruckartig nach vorne neigte. Es war, als ob man ihr die Haut vom Leibe reißen würde, so sehr tat es weh. Tränen schossen ihr aus den Augen, sie biss die Zähne fest zusammen und doch konnte sie den Widerstand nicht aufrecht halten und es zog sie wieder zum Baum zurück. Sie spürte, wie ihre Füße auf dem Moos glitten und konnte es nicht verhindern. Resigniert weinte sie versunken im Teer und spürte, wie ihr Körper immer tiefer eingesogen wurde. Als sie ihre Finger nicht mehr bewegen konnte, hörte sie auf einmal eine leise, raue Stimme:

- Ihr Menschen, ihr seid schon ein lustiges Völkchen.

Ah, da unten, am Boden, da stand ein Wesen, das der Frau nicht mal bis zum Knöchel gereicht hätte. Es war rundlich, hatte ein bodenlanges einfaches Kleid mit einer Schürze und eine rote, spitze Mütze an. Es kam ein wenig näher.

Freitag, 7. September 2018

Das Klebrige und das Stachlige


Anna wachte wieder mit einer unglaublichen Schwere im ganzen Körper. Keine Lust etwas zu machen und es fehlte hierfür auch die Kraft. Die Großmutter kam ins Zimmer und setzte sich an den Bettrand. Ihre runzelige Hand streichelte Annas Wange und legte sich dann zu der anderen Hand in den Schoß. Die junge Frau folgte der Hand und legte ihren Kopf auf die Oberschenkel der Großmutter.
Anna hat nie geweint, alle hielten sie für stark. Und hier bei Oma da war es als ob ein Damm brechen würde. Die Tränen flossen und haben Omas Kleid schon durchnässt, hörten aber nicht auf zu fließen.
- Weine dich aus, meine Liebe. Lass den Schmerz raus, – sprach die Oma mit zärtlicher Stimme und streichelte liebevoll über den Kopf.
- Oma, ich versteh das nicht! Warum? Warum ist das immer so? - fragte Anna schluchzend immer wieder.
Nicht warum, sondern wozu“, könnte die weise Großmutter hinzufügen, aber sie war ja weise und schwieg. Die rundliche Frau fuhr mit den Fingern durch die Haare ihrer Enkeltochter, die weiter schluchzte.

Freitag, 18. Mai 2018

Hände wie Schlangen


Jedes Mal, wenn ich an den Männern vorbeigehe umklammert Angst meine Brust und meinen Hals. Ich fühle, wie sie sich schwer auf meine Schultern legt, wie eine Last, wie ein schweres Tuch. Ich habe Angst vor Männern. Und ich meide jeden Blickkontakt mit ihnen. Ich will ihnen nicht in die Augen zu sehen, weil ich Angst habe, dort Begehren zu sehen oder zu spüren, wie ihr Blick an mir entlang schweift, urteilend und wertend. Ich habe Angst vor diesem Blick, weil ich mich nicht wertvoll fühle, ich habe in solchen Moment Angst, dass das Endurteil des Betrachters „minderwertig“ sein wird. Oder noch schlimmer, dass der Betrachter mich als eine wertvolle Beute sieht. Ich könnte mich nicht wehren, ich wäre ihm hilflos ausgeliefert. Ich wäre keine wertvolle Beute, ich wäre eine leichte Beute.

Montag, 20. November 2017

Einbildung, Phantomschmerzen und Geistheilung

Mitte September hatte ich einen Zusammenbruch: Nach einer Meditation konnte ich nicht aufhören zu weinen. Ich bin kein Mensch, der schnell weint, eher umgekehrt. Wochenlang habe ich entweder geweint oder hatte keine Kraft etwas zu machen. Depressive Phase nennen es die Ärzte, wenn man seinen Hintern nicht hoch kriegt, um etwas zu machen. Der Grund für meinen Zusammenbruch waren Bilder aus meiner Kindheit, die ich sehr gut verdrängt habe.
Die Diagnose PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) gibt es vom Doc nicht so schnell, denn sie ist was für traumatisierte Soldaten und Vergewaltigungsopfer. Die Mediziner streiten sich immer noch, was man als Traumatisierung einstufen darf und was nicht. Hauptsächlich weil man dann eigentlich zugeben müsste, dass 80-90 % der Bevölkerung ein Trauma erlebt haben und dementsprechend arbeitsunfähig sind.
Wobei man hier ein Fremdwort nutzen muss. Resilenz = die Fähigkeit mit Stress umzugehen. Sie ist bei manchen höher bei manchen niedriger. So kann es für ein Kind ein Trauma sein, wenn man ihm einen Zahn zieht und bei einem anderen Kind entsteht selbst dann kein Trauma, wenn die Mutter stirbt. Die Umgebung spielt auch eine große Rolle.